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Matterhorn

julius-voegtli-matterhorn-aquarell, 18x24cm

In einem rein blauen Himmel erhebt sich ein weißer Berg namens „Matterhorn“, einer der berühmtesten Gipfel der Alpen. Es ist auf den ersten Blick eine ehrenvolle Darstellung der Stärke und Kraft des Berges, der einerseits bis zum höchsten Punkt des Himmels reicht und andererseits tief im Boden verwurzelt ist. Um die Würde des Berges stärker in den Vordergrund zu rücken, malt Voegtli Bäume und einen so kleinen Bach vor diesem riesigen Berg. Alles deutet daher auf die männliche Kraft (die am Himmel errichtet wird), die Undurchdringlichkeit (kein dunkler Fleck auf dem Körper), die Reinheit (wie ein Spiegel, der in einigen Teilen das Blau des Himmels widerspiegelt) und Autorität (es wird in der Mitte der Komposition gemalt und hat die Dominanz über alle anderen Dinge darin).

Die Geschichte ist jedoch nicht so einfach. Nach Jacques Derridas Dekonstruktion sind wir es gewohnt, alles, insbesondere ein Kunstwerk, mit einem Hauch von Misstrauen zu betrachten. Wir glauben nun, dass sich ein Text ohne die Erlaubnis des Autors von innen heraus dekonstruieren kann. Oberflächlich betrachtet ist es, wie erwähnt, ein nützliches Bild für eine nationalistische Regierung, da der Berg ein universelles Symbol für den Widerstand und die Stärke einer Nation ist. Und da es zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemalt wurde, als die Flagge des Nationalismus überall auf der Welt wehte und dieser erst mit dem Zweiten Weltkrieg endete, ist es eine einheitliche, symbolische Darstellung der Macht eines Landes.

Bei genauem Hinsehen bleibt jedoch die Frage offen: Was soll der kleine See nahe dem Gipfel des Berges? Warum sieht er aus wie ein Loch? Tatsächlich gibt es auf der linken Seite des Berges einen lochartigen See, in dessen Nähe ein kleiner Bach entspringt, der bis zum Ende des Gemäldes reicht. Der Bach scheint sich aus dem Bild und dem Blickwinkel des Malers zu entfernen. Er erscheint wie eine Leerstelle gegenüber der Wucht des Berges und ist nur mit dem Fernrohr zu entdecken. Das bedeutet: Der Gipfel, der die Macht eines Staates symbolisiert, ist nicht so allmächtig, wie er uns in der Ferne erscheint. Der See wirkt so unscheinbar wie das Bein eines Pfaus. Da der See Teile der Bergspitze reflektiert, könnte dies psychologisch ein Zeichen dafür sein, dass der Berg, als Phallus-Symbol, in den See eindringt.

Quelle:
Tavousi, Sohrab (2022) „Matterhorn“, in: JULIUS VOEGTLI: Ein Schweizer Pionier des Impressionismus, Herausgegeben von Nour Nouri & Davood Khazaie, Pashmin Art Publisher, S.60-61

Julius Vögtli (1879-1944) war ein Schweizer Maler, der eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des Impressionismus in der Schweiz spielte. Seine Landschaftsbilder, die oft die Schweizer Landschaft darstellten, zeichneten sich durch ihre lebendigen Farben und expressiven Pinselstriche aus. Vögtlis Werk trug dazu bei, den Impressionismus als bedeutende künstlerische Bewegung in der Schweiz während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu etablieren.

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