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Anna Voegtli mit schwarzer Schleife

Die Interpretation von Joanna Woodall in ihrer Einführung in „Portraiture – Facing the Subject“ lässt sich auch auf Julius Voegtli übertragen: „Die physiognomische Interpretation beruhte auf einer ‚symptomatischen‘ Beziehung zwischen äußerem Erscheinungsbild und einem unsichtbaren inneren Selbst, das letztendlich das Thema von Interesse war. Die Arbeit von Courbet, Manet und den Impressionisten hinterfragt diese vermutete Identifikation zwischen individualisierter Physiognomie und einem Erkennungsmerkmal, verinnerlichte Identität. Die beunruhigende Kraft von Bildern, wie Manets ‚Bar in den Folies Bergères‘ (1881-2), leitet sich zum Teil aus ihrer Dialektik mit erhaltenen Darstellungsvorstellungen ab. Porträts von Freunden und Verwandten des Künstlers gab es bereits seit dem 15. Jahrhundert, doch im späten 19. Jahrhundert beschränkte sich die ‚Avantgarde‘-Porträtierung deutlich auf nicht in Auftrag gegebene Bilder dieser Kategorien von Darstellern. Dies stärkte die Autorität des Künstlers, indem es die Darstellungswürdigkeit von seiner Beziehung zu ihm oder ihr abhängig machte. Es implizierte eine gelebte Intimität zwischen Maler und Darsteller, die sich in der Beziehung des Betrachters zum Gemälde fantasievoll reproduzierte. Die Unterscheidung zwischen Porträtierten und Künstlermodell wurde weniger deutlich und stellte die normale Politik der Porträttransaktion infrage. In van Goghs Porträtarbeit zum Beispiel bezogen sich die Bilder in erster Linie auf die Identität des Künstlers, im Gegensatz zu der des Darstellers. All dies, zusammen mit unkonventionellen, informellen Kompositionen einer entspannten Umgebung im Freien oder zu Hause und der durchsetzungsfähigen, undurchsichtigen Materialität der Farbe, implizierte ein Selbst, das sich von der abstrakten inneren Identität unterschied und die orthodoxe öffentliche Anerkennung rechtfertigte“ (1997, S. 7).

Die Künstler porträtiert seine Frau Anna, weder eine Göttin noch eine Heldin, als junge Frau im Dreiviertel-Profil. Obwohl sie in den Raum des Betrachters schaut, entspricht ihr Blick nicht dem des Betrachters. Sie befindet sich vor einem neutralen, grau-blauen Hintergrund. Das Aquarell wird durch das Porträt in zwei ausgewogene weiße und dunkle Teile geteilt. Offensichtlich zeigt Voegtli die natürliche Schönheit seiner Frau und ignoriert Giovan Paolo Lomazzos Rat: „Bei Frauen gilt es als erste Regel, mit äußerster Sorgfalt die Schönheit zu malen und die Fehler der Natur mit Kunst so weit wie möglich zu beseitigen“ (Trattato dell’arte della pittura, scoltura et architettura (1584), (vgl. Dunlop, 2014, S. 56).

Quellen:

Khazaie, Davood (2022) „Anna Voegtli mit schwarzer Schleife“: JULIUS VOEGTLI: Ein Schweizer Pionier des Impressionismus, Herausgegeben von Nour Nouri & Davood Khazaie, Pashmin Art Publisher, S.136-137

Julius Vögtli (1879-1944) war ein Schweizer Maler, der eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des Impressionismus in der Schweiz spielte. Seine Landschaftsbilder, die oft die Schweizer Landschaft darstellten, zeichneten sich durch ihre lebendigen Farben und expressiven Pinselstriche aus. Vögtlis Werk trug dazu bei, den Impressionismus als bedeutende künstlerische Bewegung in der Schweiz während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu etablieren.

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